Montag, September 25, 2023
Steckbrief, Zugzeiten, Verbreitung, Bilder

Kurzschnabelgans

Kurzschnabelgänse Anser brachyrhynchus haben eine hohe, ökologisch gesehen ungünstige Kohlenstoffbilanz. Das rührt nicht etwa von ihren körpereigenen Gasemissionen her. Vielmehr wird beim Wühlen der Gänse auf der Suche nach Nahrung Kohlenstoffgase aus dem Boden freigesetzt.

Erkennungsmerkmale / Aussehen

Die Kurzschnabelgans (Anser brachyrhynchus) auch Kleine Rietgans genannt, gehört zur Gattung der Feldgänse (Anser). Abgesehen davon, dass sie mit einer Körperlänge von etwa 68cm, einer Flügelspannweite zwischen 140 und maximal 170cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 2,5 bis maximal 3,5kg kleiner ist als die Saatgans, hat sie einen kürzeren Schnabel mit schwarzer Basis und Spitze und einer breiten, fleischfarbenen Schnabelfläche dazwischen, hat sie auch fleischfarbene Füße, während die Füße der Saatgans orange gefärbt sind.

Von manchen Ornithologen wurde die Kurzschnabelgans deswegen zeitweise nur als Unterart der Saatgans Anser fabalis brachyhynchus angesehen. Die Kurzschnabelgans unterscheidet sich in ihren Körpermerkmalen jedoch stärker von der Nominatform der Saatgans, als die vier Unterarten der Saatgans, die in den Tundra- und Waldgebieten von Nordskandinavien bis Ostsibirien ihre Brutreviere haben. Wahrscheinlicher ist es deshalb, dass sich die Kurzschnabelgans wegen der langen geographischen Insolation der Brutgebiete in Island, Grönland und Spitzbergen von der Saatgans zu einer eigenen Art entwickelt hat. Dafür spricht auch, dass sie, wenn sie in Tierparks u. ä. mit der Saatgans gemeinsam gehalten wird, nicht kreuzen und es keine Mischformen gibt.

Fortpflanzung und Entwicklung

Die noch jungen Kurzschnabelgänse schließen sich bereits auf ihrem ersten Flug ins Winterquartier zu Paaren zusammen und führen dann ihren Leben lang eine monogame Partnerschaft. Die Kurzschnabelgänse brüten in Island, auf Spitzbergen und im Osten Grönlands. Die Brutplätze liegen in den Mooren im Binnenland, die oft die einzigen grünen Flächen inmitten einer ansonsten vegetationsarmen Gerölllandschaft. Kurzschnabelgänse können in freier Wildbahn ein Alter von bis zu 20 Jahren erreichen.

Brutzeit

Die Brutzeit beginnt in Island bereits in zweiten Drittel des Monats Mai. In Island brüten die Kurzschnabelgänse vor allem im Entwässerungsgebiet des Hofsjökull-Gletschers. Dort bilden sie große Brutkolonien. Um sicher vor Feinden und Nesträubern zu sein, werden die Nester oft am Rand unzugänglicher Schluchten, Abhängen, Klippen oder auch auf kleinen Inseln mitten in einem Fluss angelegt. Einmal angelegte Nester werden Jahr für Jahr immer wieder genutzt.

Weiter nördlich auf Spitzbergen brüten die Kurzschnabelgänse erst ab Anfang bis Mitte Juni. Die Gans legt auf einer kleinen Anhöhe ihr Nest in einer flachen Mulde an, die mit Pflanzen und Dunen ausgepolstert wird. Der Ganter beteiligt sich nicht am Nestbau, hält aber in der Nähe des Nestes Wache, um plötzlich auftauchende Nesträuber wie den Polarfuchs oder Möwen abzuwehren.

Hat sich der Nistplatz als günstig erwiesen, dann wird das Nest Jahr für Jahr immer wieder an der gleichen Stelle angelegt. Durch die kontinuierliche Düngung mit dem Gänsekot bildet sich mit der Zeit um das Nest ein Ring aus frischen Grünpflanzen in einer sonst eher kargen Landschaft.

Ein Gelege besteht in der Regel aus 4, maximal 7 Eiern. Der Legeabstand zwischen den Eiern beträgt jeweils einen Tag. Sobald da letzte Ei gelegt ist, beginnt die Gans mit dem Brüten. Die Brutzeit dauert nicht ganz einen Monat. Die Gössel verlassen von Kleinauf das Nest zu kurzen Ausflügen. Dabei werden sie von beiden Eltern geführt. Das Daunengefieder der Gössel kann recht unterschiedlich gefärbt sein. Meist ist die Körperoberseite jedoch bräunlich gefärbt mit einer braunen Kopfkrone und einem ebenso braunen Augenfleck. Die Bauchseite ist dagegen grünlichgelb bis weißlich gefärbt. Manchmal fehlt auch der gelbliche Farbton. Frisch geschlüpfte Gössel haben einen grauschwarzen Schnabel mit einem creme- bis rosafarbenen Nagel. Beine, Füße und Schwimmhäute sind zunächst dunkelgrau gefärbt. Sobald die Jungvögel flügge werden, färben sich die Basis und die Spitze des Schnabels schwarzgrau und der Raum dazwischen wird fleischfarben. Füße und Schwimmhäute sind dann grau-rosa gefärbt.

Lebensweise

Im Alter von 2 Monaten beginnen die Jungvögel mit den ersten Flugversuchen. Dabei können sie allerdings nicht von ihren Eltern unterstützt werden. Denn die verlieren ungefähr zwei Wochen, nachdem die Gössel geschlüpft sind, in der Mauser sämtliche Federn der Schwingen. Schon einige Tage zuvor können sie dann nicht mehr fliegen. Sie bleiben ungefähr 25 Tage lang völlig flugunfähig. Sobald die Schwungfedern wieder neu gebildet sind, folgt die kürzer dauernde Mauser der Steuerfedern und des Kleingefieders. In der gefährlichen Zeit der Schwingmauser führen sie ihre Jungen durch die unwirtlichen Gegenden des Nordens.

In dieser Zeit trieben die Bewohner Islands früher die flugunfähigen Gänse n eingezäunten Areale, um sie zu fangen und zu schlachten.

Noch bevor das Gefieder der Kurzschnabelgänse wieder vollständig ist und sie wieder fliegen können, ist jedoch in der Tundra Islands oft schon der Winter eingekehrt. In dieser schwierigen Zeit versuchen sie auf längeren Fußmärschen zusammen mit ihren Jungen den ersten Unbilden des Winters zu entfliehen, bis sie endlich gemeinsam zum Flug Richtung Süden in ihre Winterquartiere aufbrechen können.

Kurzschnabelgänse sind sehr ruf-freudig. Ihre Tonart liegt deutlich höher als bei der Graugans, ihr Ruf ist aber leicht mit dem der Blässgans zu verwechseln. Im Flug geben sie ein kurzes glick glick oder aa-aa von sich. Fühlen sich Kurzschnabelgänse bedroht oder in die Enge getrieben, dann versuchen sie mit energischen Zischlauten den Störenfried zu vertreiben.

Ernährung

Kurzschnabelgänse ernähren sich ausschließlich vegetarisch. Wenn sie ihre Brutgebiete im Norden erreichen, also meist schon kurz nach der Schneeschmelze, finden sie noch kein frisches Grün. Dann fressen sie zunächst Moos und Flechten. Später besteht der größte Teil ihrer Nahrung aus Beeren, sowie was die karge Pflanzenwelt der Arktis an Nahrung bietet – u. a. den Blättern und Blütenknospen von Löwenzahn, Schaumkraut, Knöterich und anderen Wiesenkräutern.

Während der Zeit in ihrem Winterquartier suchen die Kurzschnabelgänse auf abgeernteten Feldern nach liegen gebliebenen Getreidekörnern oder sie ernähren sich auf frisch eingesäten Äckern von der Wintersaat. Aber auch Kartoffelpflanzen werden keineswegs verschmäht. Diese Vorliebe für Kartoffeln hat sich bei den Kurzschnabelgänsen bereits im 19. Jahrhundert herausgebildet, als es üblich auf den Weizenfeldern zunächst Kartoffeln als Vorfrucht anzubauen. Nach der Kartoffelernte blieben immer einige Kartoffeln auf dem Acker liegen, die von den Gänsen gefressen werden, bevor sie danach zu den ausgesäten Samen des Winterweizens als Hauptnahrung wechseln.

Da sie meist in großen Scharen auf den Feldern auftauchen, kann der Schaden, den sie dabei für die Landwirte anrichten, oft beträchtlich sein. Um die Verluste in Grenzen zu halten, ist man in manchen Regionen dazu übergegangen, u.a. nicht mehr verwendete Rübenblätter auf den Feldern zurückzulassen, um den gefräßigen Gänsen eine andere Nahrungsquelle als Ersatz zu bieten.

Zugverhalten und Zugziele

Auf ihrem Flug ins Winterquartier schließen sie sich oft auch anderen Gänsearten an. Ins mitteleuropäische Hinterland verirren sich die Kurzschnabelgänse nur selten. So wurden beispielweise in Bayern im Laufe von 28 Jahren nur 21 Exemplare gezählt.

Kurzschnabelgänse aus Grönland tauchen gelegentlich als Irrgäste auch in denen kanadischen Provinzen von Quebec und Neufundland auf.

Diejenigen Kurzschnabelgänse, welche stattdessen auf Island und im Osten Grönlands brüten, ziehen im Oktober zu Winterquartieren Schottlands, Englands und an der Südwestküste Irlands. Die teilweise gemeinsamen Winterquartiere der Kurzschnabelgänge auf den Britischen Inseln lassen vermuten, dass die Populationen der Kurzschnabelgänse Ostgrönlands aus Zuwanderung isländischer Gänse hervorgegangen sind.

Auf ihrer Wanderung zu den Winterquartieren und zurück zu den Brutrevieren fliegen die Zwergschnabelgänse in Schwärmen oft mit mehreren Tausend Gänsen. Dabei erreichen sie Fluggeschwindigkeiten von 40 bis 60 km pro Stunde. Eltern und ihre Jungvögel bleiben bis zur Rückkehr in die Brutreviere im Norden zusammen.

Zum Überwintern wählen die Kurzschnabelgänse meist Plätze in ruhigen Meeresbuchten. Zum Schlafen wählen sie Flachwasserzonen und Sandbänke im Meer. Tagsüber fliegen sie dann im Morgengrauen viele Kilometer landeinwärts, überfliegen die Gegend mehrmals auf der Suche nach potentiell Nahrungsgründen, bevor sie ich auf Feuchtweisen oder auf Äckern und Felder niederlassen und dort nach Nahrung zu suchen. Erst in der Abenddämmerung kehren sie wieder zu ihren Schlafplätzen zurück.

Bereits im März tritt die Mehrzahl der Kurzschnabelgänse wieder ihren Rückflug zu den Brutplätzen im Norden an.

In den Winterquartieren Großbritanniens beträgt die Gesamtzahl der aus Island und Grönland kommenden, überwinternden Zwergschnabelgänse aktuell 292,000. Dagegen liegt die Gesamtzahl der aus Svalbard auf Spitzbergen kommenden Zwergschnabelgänse in Dänemark und in den Niederlanden schätzungsweise nur 34.000.

Tipps zur Vogelbeobachtung

Von den Brutplätzen in Spitzbergen ziehen die Kurzschnabelgänse im Oktober über Skandinavien zum Überwintern an die Nordseeküste des Wattenmeeres Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande und Belgiens. In harten Wintern ziehen sie manchmal weiter bis in die Küstenregion Nordfrankreichs.

In Niedersachsen tritt die Kurzschnabelgans, auf Ihren Weg in die Niederlande,nur selten und vereizelt auf. Schwerpunkte des Vorkommens waren 2009/10 die seenahen Marsch zwischen Norden und Esens sowie zwischen Leybucht und Pewsum.

Bei einer Synchronzählung des Wassergeflügels an der Küste Niedersachsens und des Landes Bremen betrug die Zahl der Kurzschnabelgänse in den drei aufeinander folgenden Wintern im Januar von 2008, 2009 und 2010 lediglich 68, 2 und 342. Im Gegensatz ergaben die Winterzählungen beispielsweise der Saatgans 33.048, 26.863 und 19.755 Tiere.

In Nordrhein-Westfalen fndet man sie gelegentlich am Unterer Niederrhein, meist zusammen mit Saatgänsen- und Blässgänsen vor. In Schleswig-Holstein sind die Schwerpunktbereiche Nordfriesland und Nordfriesisches Wattenmeer, Eider-Treene-Sorge-Niederung und an der Unterelbe. In Mecklenburg Vorpommern ist es das Stettiner Haff. Die Kurzschnabelgans kommt bei uns als vereinzelter Wintergast vor.

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